Kein Sand im Getriebe

Kein Sand im Getriebe

Hallo Freunde,

in 24 Stunden gehts ab zum Flughafen. Doha, die Hauptstadt von Katar liegt am Persischen Golf und dort findet vom 09.-16. Oktober 2016 die UCI Straßen-Weltmeisterschaften statt. Mein NOAH SL von Ridley, ein top funktionierendes und noch dazu sehr schickes Arbeitsgerät ist bereits verpackt und zwei Ersatzmaschinen des gleichen Typs ebenso. Neben der sportlichen Freizeitbekleidung und meinem Kulturbeutel muss ich nicht viel mitnehmen, denn die offizielle Rennbekleidung der Deutschen Nationalmannschaft bekomme ich direkt vor Ort. Durch das Trikot des Deutschen Meisters 2016 konnte ich mich die letzten Monate bereits an unsere Landesfarben gewöhnen.

Gepackt war alles in wenigen Stunden, aber bis hierher war es ein langer und auch harter Weg. Als Teil des WM-Teams an den Start zu gehen macht mich sehr Stolz. „Alles für die Mannschaft“ so werden wir den Wettbewerb um den WM-Titel angehen. Für Deutschland wird im Straßenrennen der Profis ein starkes und ehrgeiziges Team an der Startlinie stehen. Dieses wird von den sportlichen Leitern Andreas Klier und Jan Schaffrath bestens eingestellt und auf Erfolg fokussiert sein. Jeder im Team hat eine Funktion bzw. Aufgabe, die es auf und neben der Strecke zu erfüllen gilt. In dieser strukturellen Zusammensetzung sind wir ausschließlich bei internationalen Meisterschaften oder Olympischen Spielen am Start, das macht die Aufgabenverteilung an alle im Team nicht leichter. Die Verantwortlichen im BDR haben in Abstimmung den sportlichen Leitern nominiert und nun gilt es mit professioneller Einstellung und Teamfähigkeit die beste Chance für das deutsche Team vorzubereiten und konsequent durchzuziehen.

Meine Benennung als Kapitän war das Ergebnis eines intensiven Nominierungsprozesses, aber als ich die Information bekam, war bei mir die erste Freude noch gar nicht so zu spüren. Wir sind natürlich keine Maschinen, aber als Profi bist du immer extrem fokussiert auf die anstehenden Aufgaben und da fällt es schwer, den Kopf bzw. die Gedanken einfach mal an- oder abzuschalten. Im Rennmodus ist es dabei noch am einfachsten, da gilt es 100% Aufmerksamkeit in jeder Rennsituation zu gewährleisten und bei den letzten Wettkampfkilometern der WM-Vorbereitung Disziplin zu zeigen, Risiken zu minimieren und die richtigen Prioritäten zu setzen.

Im September 2012 wurde die WM nach Katar vergeben. Terrain und Klima waren bekannt und ich steckte mir dieses langfristige Ziel – für Deutschland das Finale fahren. Von Anfang an war klar, dass die Saison 2016 von höchster Bedeutung sein wird. In Abstimmung mit dem Management vom Team Lotto Soudal wurden für die Saison 2016 vier Meilensteine/Saisonhöhepunkte gesetzt. Nach einem guten Saisoneinstieg hatte ich mir bei einem Sturz bei der Algarve Rundfahrt im Frühjahr einige Rippen gebrochen. Damit war das erste Saisonziel futsch, denn es war kein Top Ergebnis bei einem Frühjahrsklassiker mehr möglich. Nach kurzer Pause und neuem Aufbau folgten starke Auftritte meines Teams und 3 Etappensiege von mir beim Giro d’Italia. Der zweite Meilenstein mit dem Ziel Deutscher Meister zu werden, wurde Ende Juni erreicht. Dieser Erfolg hat mir ohne Frage noch mehr Stabilität und Selbstvertrauen gebracht. Dann ging es mit breiter Brust zur Tour de France, dem dritten Saisonhöhepunkt. Auch in diesem Jahr wollte ich einen Sieg einfahren, um mich so für das Vertrauen meines Teams zu bedanken. Die ersten Etappen bin ich sehr optimistisch angegangen, aber nachdem mir auf der 3. Etappe nur Millimeter zum Etappensieg gefehlt haben und ich hinter Cav zweiter geworden war, sind es an den Folgetagen eher Meter geworden, die ich gegen andere Sprinter zurück lag. Die Ursachen und die Fehlerquellen haben wir im Team analysiert und Punkt für Punkt abgearbeitet. Die Streckenführung der diesjährigen Tour hatte in der zweiten Hälfte wenig Sprintankünfte im Plan und so nutzte ich die Berge, um mir den Frust aus Kopf und Beinen fahren. Bei der letzten Etappe auf der Champs Elysées hat dann wieder alles zusammen gepasst und ich konnte damit auch das dritte Saisonziel erreichen. Im Trikot des Deutschen Meisters den Etappensieg aus dem Vorjahr zu wiederholen war unbeschreiblich. Was ich in diesem Moment gefühlt habe lässt sich wirklich schwer in Worte fassen. Da mischen sich Adrenalin, Freude und Glücksgefühle. Und natürlich auch Stolz, dass ich das Vertrauen meines Teams zurück zahlen konnte. Familie, Team, Freunde und Fans, wir waren alle im Jubel vereint. Natürlich haben wir an diesem Abend mit ein paar Glas Champagner angestossen und ich habe mich bei allen die in meiner Nähe sein konnten ganz persönlich bedankt. Das war mir sehr wichtig, denn es bieten einem nicht viele dieser Gelegenheiten. Der vierte Meilenstein war die Nominierung für die WM, als Kapitän der Nationalmannschaft. Und das große Ziel formulieren WIR in Doha und werden es dann zum richtigen Zeitpunkt kommunizieren.

 

„Alles für die Mannschaft“
John Degenkolb
André Greipel
Marcel Kittel
Tony Martin
Nils Politt
Marcel Sieberg
Jasha Sütterlin
(Die Namen aller Nominierten in alphabetischer Reihenfolge.)

 

Ich freue mich auf meine Aufgabe und werde diese verantwortungsbewusst allen gegenüber erfüllen. Und im Finale natürlich um jeden Millimeter Vorsprung an der Linie kämpfen.

Euer André

 

 

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